Elisabeth Kunz

Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie



ADHS bei Erwachsenen

 

Die Abkürzung ADHS bedeutet: Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom.

Vielen ist ADHS als „Kinderkrankheit“ bekannt, die sich durch hohe motorische Unruhe, Unaufmerksamkeit, Schwierigkeiten in der Schule und impulsives Verhalten bemerkbar macht. Dies sind Kinder, die (ohne digitales Gerät) kaum stillsitzen können, immer wieder an Pflichten erinnert werden müssen, von jedem „Eichhörnchen vor dem Fenster“ abgelenkt werden, andere unterbrechen, aber auch völlig die Zeit vergessen, wenn sie etwas Spannendes erleben. Sie können sehr sozial sein und im nächsten Moment „in die Luft gehen“.

 

Inzwischen wissen wir: Diese Symptome entstehen, weil das Gehirn der betroffenen Menschen etwas anders arbeitet als das der meisten anderen Menschen. Es ist also keine „erworbene“ Erkrankung, sondern (meistens) eine angeborene Variante, wie unser Gehirn aufgebaut ist und kommuniziert. Heutzutage bezeichnet man dies als „neurodivers“, während die andere Variante als „neurotypisch“ bezeichnet wird.

Diese „Fehlfunktion“ hat überwiegend genetische und neurobiologische Ursachen und ist somit vorrangig eine körperliche (!) Störung, keine psychische Erkrankung.

Insbesondere die Funktion der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin unterscheidet sich. Zu den Aufgaben dieser Neurotransmitter gehört die Steuerung von Aktivität, Antrieb und Motivation, der Aufmerksamkeit und der Emotionsregulation.

Diese Kinder können sich also meistens nicht gut „selbst regulieren“.

Anfangs dachte man, dass sich die Symptomatik mit der Pubertät „verwächst“, inzwischen wissen wir aber, dass bei etwa 40–50 % der Menschen weiterhin Leidensdruck durch diese Funktionsweise des Gehirns besteht.

Bei vielen Erwachsenen ändert sich die Symptomatik jedoch im Laufe der Zeit. Die vorherige motorische Unruhe wendet sich oft nach innen und macht sich dort als innere Unruhe und Getriebenheit bemerkbar; die Impulsivität hat eventuell schon zu vielen Partnerschaftskonflikten geführt, der Freundeskreis weiß, dass die betroffene Person nie pünktlich ist, das Konto ist häufig im Minus, weil ständig Sachen im Internet bestellt werden, und der Arbeitgeber wurde bereits mehrfach gewechselt. Betroffene kämpfen oft mit Essattacken, vergessen Termine und konsumieren mitunter Alkohol oder Drogen.

Manche Betroffene schaffen es sogar, ihre Symptome jahrelang gut zu kontrollieren. Dies kann sogar für das Außen ganz unauffällig sein, z. B., weil sie in ihrem abwechslungsreichen und herausfordernden Beruf aufgehen, der sie täglich vor neue aufregende Herausforderungen stellt, und auch in ihrer Freizeit mit Leistungs- oder Ausdauersport oder einem zeitintensiven Hobby die Unruhe nicht bemerkt werden muss. Manchmal klappt es auch durch ein klares „Gerüst“ im Alltag, übermäßige Gewissenhaftigkeit und die Etablierung von starren Vorgaben („Alles muss an seinen Platz!“).

Diese Strategien können über längere Zeit funktionieren, versagen jedoch mit zunehmendem Alter oder bei veränderten Lebensumständen. Chronische Schmerzzustände, Autoimmunerkrankungen und Herz-Kreislauf-Probleme sind typische „Langzeiterscheinungen“.

Zusätzlich belastend kommt natürlich hinzu, dass diese Menschen ihr ganzes Leben lang erlebt haben, dass sie etwas anders sind als die anderen. Oft haben sie verinnerlicht, dass sie sich nur mehr anstrengen müssten, dann würden sie genauso leben können wie „die Anderen“. Oft liegen bereits zahlreiche Berichte aus Psychotherapie und Krankenhausaufenthalten vor, Behandlungsversuche mit Antidepressiva, die keine wirkliche Linderung geschafft haben, sowie frustrane Versuche, Entspannungsverfahren zu erlernen.


So entstehen zusätzlich psychische Leiden.

Um eine Linderung des psychischen Leidens zu erreichen, ist es jedoch notwendig, die zugrundeliegende Problematik zu behandeln. Zuallererst muss also festgestellt werden, ob Sie von ADHS betroffen sind. Wenn dieses dann richtig therapiert wird, kann die Behandlung der psychischen Beschwerden zielführend durchgeführt werden.

Sollten Sie oder Ihre behandelnde Ärztin oder Psychotherapeutin die Vermutung hegen, dass ADHS vorliegt, besteht in dieser Praxis die Möglichkeit, die Diagnostik auf ADHS im Erwachsenenalter durchzuführen.


Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gern während der Telefonsprechzeit zur Verfügung.